Lärm im Kopf

Auszug aus dem Buch von Tina Scheibe

  • Taschenbuch: ‎ 156 Seiten
  • ISBN-10: ‎ 3831621519
  • ISBN-13: ‎ 978-3831621514
  • Abmessungen: ‎ 15.1 x 1.6 x 20.8 cm

Mutter Erde lud ein. Feiern wollte sie das stete Entstehen und Vergehen, den Wechsel der Gezeiten, der Jahreszeiten, die ständige Bewegung – kurzum; den Fluss des Lebens. Sonne, Mond und Sterne waren ihre Gäste und alle erschienen in ihrem ganz eigenen Glanz. Weder Mutter Erde noch den zahlreichen Sternen entging es, wie Sonne und Mond in tiefer Zuneigung füreinander verweilten. Sie, die Sonne richtete so viele ihrer Strahlen in Richtung Mond. Sie wollte ihm nahe sein, ihn sanft berühren. Und er, der Mond, er schenkte ihr Blicke, so liebevolle, leidenschaftliche Blicke, die ihr, der Sonne, die ihr eine leichte, doch nicht zu übersehende Röte ins Gesicht zauberten. Die Sterne funkelten besonders hell und erfreuten sich an diesem zarten, frisch erblühten Tanz der Gefühle. Doch einer der Sterne, einer der geradezu glühte vor Neugierde wollte es genau wissen.

>>Habt ihr jetzt eine Beziehung?<<, fragte er die beiden. >> Ja << sagte der Mond. Es war ein lautes, klares Ja, das keinen Zweifel ließ. Die Sonne antwortete im selben Moment mit einem nicht überhörbaren und deutlichen Nein. Denn eine Beziehung zu haben und glücklich zu sein, das schien ihr vollkommen unmöglich. Tag für Tag schaute sie den Menschen auf der Erde dabei zu, wie sie scharenweise Beziehungen beendeten. Wenn es sein musste sogar per Mail. Hauptsache Schluss, Hauptsache das herbeigesehnte Ende einer Beziehung wurde endlich Wirklichkeit. Sie lauschte so oft den Menschen, wenn sie sich über Beziehungen unterhielten. Wenn sie darüber sprachen, dass ihre Beziehungen den Bach runtergingen, am Ende waren, oder darüber, dass ihre Beziehungen nie länger als fünf Jahre hielten. Von unglücklichen Beziehungen und solchen, aus denen es kein Entrinnen mehr zu geben schien war die Rede. Nein, so etwas wollte sie nicht erleben mit ihm, dem ach so sinnlichen Mond. Doch offensichtlich wollte er genau das. Sie war zutiefst enttäuscht über diese Erkenntnis und ihre Strahlen wendeten sich von ihm ab. Was wollte der Mond ihr da nur zumuten?

Er wollte ihr nichts zumuten, der Mond. Er wollte sie lieben und glücklich mit ihr sein. Er wünschte sich all das mit der Sonne zu erleben, woran die Menschen ihn so häufig teilhaben ließen des Nachts. So oft hatte er ihnen schon dabei zuschauen können, wie sie ihre gegenseitige Nähe genossen, die Paare, die in so lebendigen und liebevollen Beziehungen miteinander verbunden waren. Immer und immer wieder konnte er beobachten, wie Menschen zueinander fanden, sich dem Anderen hingaben und von der Liebe und der Leidenschaft getragen wurden. Er sah, wie glücklich sie waren in ihren Beziehungen. Manchmal schien es ihm fast so, als würden die Menschen ihn regelrecht einladen zu ihrem Fest der Liebe. Ja, genau das wollte er auch erleben mit der so faszinierend strahlenden Sonne. Er konnte nicht fassen, dass sie ihm und sich selbst alle diesen himmlischen Möglichkeiten versagte. Und seine leuchtenden Blicke wurden glanzlos und verloren sich traurig In den Weiten des Universums.